Kinderarmut in der reichen Schweiz

bild6Mitten in der Wohlstandgesellschaft leben viele armutsbetroffene Kinder. Sie erleiden täglich Entbehrungen – Armut grenzt die Kinder aus und diskriminiert sie. Der Spardruck im Sozialen und in der Bildung verbaut ihnen Teilhabe am Wohlstand. Ihre Chancen auf persönliche Entfaltung und gute Berufsausbildung sind gering.

Das alltägliche Nein

„Nein, immer wieder nein“, das ist eigentlich das einzige, was ich meiner 13-jährigen Tochter jeden Tag sagen muss, erzählt mir verzweifelt eine allein erziehende Mutter: „Einmal wollte sie mit ihren Freundinnen in die Stadt fahren, ein anderes Mal zum Coiffeur, dann Sackgeld für das Dorffest, in den Tanzkurs, dann wieder Schlittschuhlaufen. In den Sommerferien wollte sie mit mir Ausflüge machen, an Ausstellungen, die hohen Berge sehen. Wer sollte die Billette bezahlen? Auf mein Nein hin, es sei zu teuer, war ihre Antwort, da sei ungerecht, die anderen dürften dies auch. Ich weiss nicht mehr, was tun. Sie glaubt, ich möge es ihr nicht gönnen. Und stellen Sie sich vor: Zu Weihnachten wünscht sie sich ein Smartphone. Soll ich Schulden machen?“

Das Leid hinter den Statistiken

Armutsbetroffenen Kinder bleibt durch die minimalen Sozialhilfegelder ein normaler Alltag verwehrt. In zartem Alter erleiden sie die soziale Ungerechtigkeit. Sie streiten wegen der erlittenen Ungerechtigkeit mit den Eltern und die Eltern fühlen sich schlecht und ohnmächtig. Oft gibt es Probleme bei Einladungen an Kindergeburtstage: Das Geschenk, das Kinder heute üblicherweise mitbringen, kostet rund Fr. 20.- und kann nicht finanziert werden. Oft ziehen sie sich zurück, weil sie nicht mit leeren Händen gehen wollen. Leider übernimmt die Sozialhilfe meist auch keine Kosten für Sport, sodass die Teilnahme in Sportvereinen verhindert wird. Auf diese Weise wird einmal mehr eine Integrationschance verpasst! Viele armutsbetroffene Kinder bräuchten in der Primarschulzeit dringend fördernden persönlichen Nachhilfeunterricht. Doch dafür hat weder das Schulamt noch die Sozialhilfe Gehör.

Armut in der Schweiz ist stark bildungsabhängig. So verfügen nur etwa 6% der Sozialhilfebeziehenden über einen Universitätsabschluss oder eine höhere Fachausbildung, während gut 57% über keine berufliche Ausbildung verfügen (Caritas, 2011)[1]. Die absolute Armutsgrenze orientiert sich an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, SKOS. Im Jahre 2012 betrug die Armutsgrenze rund 2200 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 4050 pro Monat für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern.[2]

[1] Caritas (2011). Ein Bildungspaket gegen Armut Die Position der Caritas zur Rolle der Bildungspolitik in der Armutsprävention. Caritas-Positionspapier, Juli 2011.

[2] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/20/03/blank/key/07/01.html